Betroffene, die unter einer Glutenunverträglichkeit leiden, können gut auf Getreide verzichten.
Pia ist eine begeisterte Bäckerin. Butter, Zucker, Eier, Kartoffelmehl, Mandeln und ganz viel geriebene Schokolade kommen in ihren Lieblingskuchen. „Das Besondere an diesem Kuchen – er schmeckt nicht nur superlecker, sondern er enthält auch kein Getreidemehl“, erklärt Pia. „Normales Mehl aus Weizen, Roggen oder Dinkel vertrage ich nämlich nicht.“
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Gluten Unverträglichkeit
Pia leidet unter Zöliakie, einer Unverträglichkeit gegenüber dem im Getreide enthaltenen Klebereiweiß Gluten. Isst sie glutenhaltige Lebensmittel, also herkömmliche Brotund Teigwaren, so bekommt sie Bauchkrämpfe und starken Durchfall. Das Klebereiweiß löst bei ihr eine Entzündung der Darmschleimhaut aus. Ohne eine entsprechende Ernährungsanpassung würden die Zotten, mit denen die Darmschleimhaut ausgestattet ist, in der Folge immer flacher und könnten nicht mehr genügend Nährstoffe aufnehmen. Damit drohen langfristig gravierende Mangelerscheinungen und Entwicklungsstörungen.
- Schätzungsweise jeder 250. Deutsche leidet unter einer Glutenunverträglichkeit. Da sich bei 80 bis 90 Prozent untypische bis gar keine Symptome zeigen, wissen viele nichts von ihrer Erkrankung.
- Die Ursachen der Zöliakie sind bislang nicht geklärt. Neben äußeren Einflüssen und bestimmen Vorerkrankungen spielen auch genetische Faktoren eine Rolle.
Auch Pia war, bevor bei ihr vor fünf Jahren Zöliakie diagnostiziert wurde, besonders klein und zart und in ihrer Entwicklung hinter Gleichaltrigen zurück. Ein eher weinerliches Kind, das, während die anderen Kinder ihrer Krabbelgruppe Schritt für Schritt die Welt erkundeten, sich nur ungern bewegte und häufig teilnahmslos in der Ecke saß. Eine Blutuntersuchung beim Kinderarzt ergab einen deutlichen Eisenmangel und führte zu einem ersten Verdacht auf Zöliakie.
Langwieriger Diagnoseprozess
Für viele Betroffene ist es ein langer und mühsamer Weg bis zur Diagnose und damit auch zur Behandlung der Zöliakie. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Krankheitszeichen meist nicht in ihrer vollen Ausprägung auftreten, sondern in abgeschwächter Form lange unbeachtet bleiben. Längst nicht jeder Betroffene leidet unter dem klassischen Symptom Durchfall. Ungeklärter Eisenmangel und Blutarmut können ebenfalls ihre Ursache in einer Zöliakie haben. Manchen quälen Schlaflosigkeit, Müdigkeit oder Depressionen, Symptome, bei denen viele keinen Zusammenhang mit einer chronischen Darmentzündung vermuten würden. Im Kindesalter sind vor allem Gewichtsverlust und Entwicklungsverzögerungen Anzeichen für Mangelernährung und ein Hinweis auf Zöliakie.
Hintergrund: Unser Verdauungssystem
- Der überwiegende Teil der Verdauungsvorgänge findet im Dünndarm statt. Hier wird die Nahrung zunächst in ihre Grundbestandteile zerlegt, so dass die Nährstoffe anschließend über die Darmschleimhaut ins Blut gelangen können.
- Eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Nährstoffaufnahme ist die große Oberfläche des Dünndarms. Er ist etwa fünf Meter lang und vielfach gefaltet. Seine Innenwand ist mit unzähligen Darmzotten ausgestattet. Dank der Faltungen und der winzigen, zapfenförmigen Ausstülpungen der Darmschleimhaut vergrößert sich die Dünndarminnenfläche um das 600-fache und erreicht eine Größe von etwa 200 Quadratmetern – das ist ungefähr die Größe eines Tennisplatzes.
- Diese raffinierte Oberflächenvergrößerung der Darmwand ist durch eine Glutenunverträglichkeit stark beeinträchtigt. Die Zöliakie führt zu einer Abflachung der Dünndarmschleimhaut und zum Abbau der Zotten. Durch anhaltende Glutenbelastung reduziert sich dadurch die Oberfläche der Darmwand, so dass nicht mehr ausreichend Nährstoffe aufgenommen werden können und Mangelerscheinungen auftreten.
Hat der Arzt einen solchen Verdacht, so lässt sich dies medizinisch eindeutig nachweisen. Zunächst wird das Blut auf Transglutaminase-Antikörper getestet. Diese Antikörper lassen sich bei fast allen Patienten mit Glutenunverträglichkeit nachweisen. Allerdings schließt ein negativer Antikörpertest eine Zöliakie nicht aus. Endgültige Sicherheit bringt eine Dünndarmbiopsie. Dazu werden während einer Magen-Darm-Spiegelung winzige Gewebeteilchen aus der Dünndarmschleimhaut entnommen und anschließend mikroskopisch untersucht. Dabei lässt sich genau erkennen, ob die Dünndarmschleimhaut normal ausgebildet ist, ob sie die typischen Veränderungen zeigt oder ob die Darmzotten bereits abgeflacht sind.
Einzige Behandlung: glutenfreie Ernährung
Glutenhaltige Nahrungsmittel
- Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Grünkern, Dinkel
und alle daraus hergestellten Lebensmittel wie:
- Mehl, Grieß, Graupen, Stärke, Flocken (Müsli),
Paniermehl, Teigwaren
Glutenfreie Nahrungsmittel
- Obst, Gemüsesorten, Salat, Milch, Naturjoghurt
- Buttermilch, Quark, Butter, Frischkäse natur
- Naturkäse, Pflanzenöle, Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Zucker, Honig, Konfitüre
- Marmelade, Nüsse, Hülsenfrüchte, reine Gewürze und Kräuter, Eier, Reis, Mais, Wildreis, Hirse
- Buchweizen, Amaranth, Quinoa
- Vorsicht! Da Gluten u. a. stabilisierende und gelierende Eigenschaften hat, ist es als Zusatzstoff in einigen Lebensmittelprodukten enthalten, in denen man es nicht vermuten würde. Es kann beispielsweise in Wurstwaren, Frischkäsezubereitungen, Schokolade oder Ketchup versteckt sein. Um ganz sicher zu gehen, greifen Sie auf glutenfreie Spezialprodukte zurück, die extra für eine glutenfreie Ernährung hergestellt werden. Es gibt beispielsweise spezielles Brot oder Nudeln aus garantiert glutenfreien Rohstoffen.
Worauf achten?
Nachdem die Tests bei Pia ganz eindeutig eine Zöliakie nachgewiesen hatten, waren ihre Eltern zunächst einmal geschockt. „Wir wussten so gar nicht, was da auf uns zukommen würde. Der Arzt erklärte uns, dass Zöliakie nicht medikamentös behandelt werden kann. Die einzig mögliche Therapie ist eine lebenslange strikte glutenfreie Ernährung, damit sich die Dünndarmschleimhaut erholen kann und erneute Beschwerden vermieden werden. Ich stellte mir vor, dass Pia nun niemals Nudeln, Pizza, Brot und Kuchen wird essen können, und es tat mir unendlich leid“, erzählt Pias Mutter.
Die kleine Bäckerin vermisst all das nicht. Pias Mutter hat bei einer Ernährungsberatung gelernt, worauf sie achten muss, welche Nahrungsmittel tabu sind und welche Alternativen sich eignen. Es gibt viele Ersatzprodukte, wie zum Beispiel Mais, Reis, Hirse, Soja oder Buchweizen. Und so kommen jetzt Kartoffel- oder Maisstärke und Nüsse statt Mehl in den Kuchen und Buchweizen und Amaranth ins Brot. In Reformhäusern, Naturkostläden und auch in immer mehr Supermärkten gibt es mittlerweile spezielle Produkte, die aus glutenfreien Rohstoffen hergestellt sind. Ob ein Produkt Gluten enthält oder nicht, zeigt der Blick auf die Verpackung. Glutenhaltige Lebensmittel müssen gekennzeichnet sein. Zudem sind die meisten diätetischen glutenfreien Lebensmittel durch das Zeichen der durchgestrichenen Ähre oder die Aufschrift „Glutenfrei“ zu erkennen.
Pias Familie hat sich daran gewöhnt, die Nahrungsmittel für Pia gezielt auszuwählen. Schon kurze Zeit nach der Ernährungsumstellung hat Pia einen riesigen Entwicklungsschub gemacht und ist heute eine gesunde, fröhliche Schülerin. Um das selbst gebackene Pausenbrot beneidet sie so mancher Mitschüler und vor allem der leckere Schokoladenkuchen ist bei allen heiß begehrt.