Nesselsucht

Die Nesselsucht gehört zu den 20 häufigsten Erkrankungen der Haut. Charakteristisch für diese Erkrankung, die bei vielen Betroffenen ebenso spontan abheilt, wie sie aufgetreten ist, sind stark juckende Quaddeln, die von einem roten Hof umgeben sind.

Es sieht aus, als hätte man in eine Brennnessel gegriffen. Einzeln oder großflächig in landkartenähnlichen Gebilden angeordnet, erheben sich auf der Haut stark juckende Quaddeln. Etwa jeder Vierte kennt diese Hautveränderungen aus eigener Erfahrung. Passend zum Erscheinungsbild trägt diese Hauterkrankung den Namen Nesselsucht oder Nesselausschlag. Die medizinische Bezeichnung lautet Urtikaria.

Das Entstehen von Quaddeln und Juckreiz lässt sich auf eine Reaktion bestimmter Immunzellen, der sogenannten Mastzellen, zurückführen. Die Mastzellen der Haut schütten, nachdem sie aktiviert wurden, verschiedene Botenstoffe (Mediatoren) aus. Für das weitere Krankheitsgeschehen ist vor allem der Entzündungsstoff Histamin von Bedeutung. Denn Histamin führt im umliegenden Gewebe zu einer Weitstellung und erhöhten Durchlässigkeit der Gefäße, Hautrötungen, Schwellungen und Juckreiz (siehe Grafik).

nesselsucht1 Bei vielen Betroffenen sind die Beschwerden von kurzer Dauer. Der Ausschlag verschwindet nach ein paar Tagen ebenso plötzlich, wie er aufgetaucht ist. Die Urtikaria kann aber auch hartnäckig über Wochen und Monate bestehen bleiben und insbesondere durch den quälenden Juckreiz zu einer Dauerbelastung werden.

Akut oder chronisch, allergisch oder physikalisch?

Die schubweise und unkontrollierte Freisetzung der Botenstoffe kann durch ganz unterschiedliche Reize ausgelöst werden. Es können echte Allergien, Unverträglichkeitsreaktionen auf Nahrungsmittel oder Arzneimittel dahinterstecken, aber auch physikalische Faktoren wie Wärme, Kälte oder Druck, Autoimmunerkrankungen, hormonelle Störungen, Bakterien, Viren, Parasiten sowie psychische Belastungen und Stress sind mögliche Ursachen. Nicht selten lässt sich überhaupt keine wirkliche Ursache finden. Der Mediziner bezeichnet dieses Krankheitsentstehen als idiopathisch.

Um angesichts der Vielzahl an Formen und Ausprägungen der Nesselsucht einen besseren Überblick zu bekommen, versucht man, die Urtikaria in verschiedene Klassen einzuteilen. Dabei hat sich ein Schema bewährt, das zunächst unterscheidet, ob die Hautquaddeln spontan oder induziert, also durch einen Reiz ausgelöst, aufgetreten sind. Anschließend wird nach den möglichen Ursachen untergliedert (siehe Tabelle). Eine weitere mögliche Einteilung erfolgt nach den Erkrankungsmechanismen. Das heißt, es wird unterschieden, ob eine al lergische, eine pseudoallergische, eine physikalische Reaktion, eine Autoimmun-, eine Mastzellerkrankung, ein Enzymdefekt oder eine direkte Histaminfreisetzung für die Hauterscheinungen verantwortlich ist.

Diagnostik

Die Diagnostik und Fahndung nach der Ursache der Nesselsucht spielt eine ganz entscheidende Rolle, da eine erfolgreiche Behandlung und ein dauerhaftes Verschwinden der Hautquaddeln nur dann möglich ist, wenn man den Auslöser kennt und meiden kann. Ansons ten bleibt die Therapie stets auf die Symp tombehandlung beschränkt.

Im Vordergrund der Diagnostik stehen eine ausführliche Krankheitserhebung und eine gründliche körperliche Untersuchung des Patienten. Sollten sich die Symptome in der Phase der Basisdiagnostik und symptomatischen Therapie – hierzu zählen Therapieversuche mit Antihistaminika, die die Wirkung des Histamins verhindern – nicht zurückbilden, ist eine intensivere Diagnostik angezeigt. Dazu gehören Provokationstestungen, orale oder inhalative Provokation, physikalische Testungen auf Druck, Kälte etc., körperliche Übungen zur Abklärung einer anstrengungsbedingten Urtikaria, Hauttes tungen und je nach Verdacht weitere Laboruntersuchungen und allergologische Tes tungen. Besonders langwierig kann die Suche nach den Auslösern sein, wenn erst die Kombination mehrerer Faktoren, beispielsweise bestimmter Nahrungsmittel im Zusammenspiel mit Stress, zu einer Urtikaria führt.

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Therapie

Hat man den oder die Auslöser der Urtikaria enttarnt, so ist die folgerichtige Behandlung, diese zu meiden. Doch die Vermeidungsstrategie lässt sich nicht immer in die Tat umsetzen. Schwierig wird dies z. B., wenn eine Nahrungsmittel un ver träg lichkeit dahinter steckt oder wenn es sich um eine an strengungs induzierte Urtikaria handelt. In diesen Fällen muss eine symptomatische Therapie erfolgen, mit der die Quaddeln und vor allem der quälende Juckreiz gemildert werden können.

Sofern es sich nicht um eine Kälteurtikaria handelt, ist Kühlen eine effektive Methode gegen Juckreiz. Sollte dies nicht ausreichen, kommen Antihistaminika zum Einsatz. Sie werden in Form von Gels auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen, wirksamer ist jedoch eine Therapie mit Antihistamin- Tabletten. Sind wiederkehrende heftige Attacken zu befürchten, kann eine Dauermedikation mit einem Antihistaminikum notwendig sein.

Bei manchen Formen der Urtikaria ist eine Gewöhnungstherapie erfolgreich. Setzt sich beispielsweise der Patient mit einer Kälteurtikaria wiederholt kalten Temperaturen (Bädern) aus, kann der Körper darauf trainiert werden. Ähnliches ist bei einer anstrengungsinduzierten Urtikaria möglich. Durch kontrollierte körperliche Anstrengung mehrmals täglich lässt sich in vielen Fällen das Auftreten ausgeprägter Quaddelschübe verhindern. Diese „Gewöhnungstherapien“ sollten jedoch niemals in Selbstversuchen ohne ärztliche Aufsicht durchgeführt werden.

Psychotherapeutische Ergänzung

Da insbesondere bei einer chronischen Urtikaria seelische Belastungen und Konfliktsituationen als auslösende oder verstärkende Faktoren von Bedeutung sind, spielt die begleitende psychotherapeutische Betreuung eine wichtige Rolle. Auch das Erlernen von verschiedenen Entspannungstechniken kann dazu beitragen, die Symp tome zu lindern und den Umgang mit der Erkrankung zu meistern.

Nicht selten verschwindet der Nesselausschlag ebenso unvermutet, wie er aufgetaucht ist. Eine solche Spontanheilung ist immer möglich.

Anton Wilder